Kahlfläche nach massivem Borkenkäferbefall
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Diese Aussage – gerne kombiniert mit “Extremwetter gab es schon immer“, “Dann können wir endlich hier Feigen züchten” oder andere Varianten zielen darauf ab, die Auswirkungen des Klimawandels in Frage zu stellen. Wir möchten daher ein paar Auswirkungen der Klimakrise, die uns in einer >3°C Welt erwarten – konkret auch bei uns in Oberbayern – beschreiben:

Hitzewellen

Wir haben “erst” 1,2°C mittlere globale Klimaerwärmung und haben bereits etliche Hitzesommer in den letzten Jahren erlebt. Die Hitzerekorde in Deutschland liegen alle im letzten Jahrzehnt. Die trockenen Jahre 2018, 2019 und 2020 sind beispiellos für die vergangenen 250 Jahre. Seit 1766 hat es in Mitteleuropa keine dreijährige Sommer-Dürre dieses Ausmaßes gegeben; mehr als 50% des Ackerlandes waren davon betroffen. Und auch bei uns sehen wir massive Auswirkungen im Wald rund um Wolfratshausen.

Die Kiefer im Bergwald und Isarauen hat nach den Hitzesommern ab 2015 hohe Absterberaten. Laut Förster Robert Nörr leiden fast alle Baumarten bei uns stark, sind Esche und Ulme wegen eingeschleppter Pilzkrankheiten am Absterben/Aussterben. Unsere häufigste Baumart, die Fichte, leidet massiv unter den zunehmenden Hitzeperioden, Trockenzeiten und Stürmen. Borkenkäferschäden und Sturmwürfe nehmen daher sehr stark zu.

Abgestorbene Wurzel nach Eschentriebsterben
Abgestorbene Wurzel nach Eschentriebsterben
(©) Robert Nörr, Forstrevier Wolfratshausen
Sterbende Buche
Eine alte Buche stirbt durch Borkenkäferbefall. Bedingt durch Hitzestress ist auch dies eine Folge des Klimawandels. Foto Jan Reiners

Die genannte globale Temperatur ist ein Mittelwert. Die Meere sind kühler, die Landmassen dagegen wärmer. De facto sind wir hierzulande schon bei 1,6°C Erwärmung. In einer 3-4°C wärmeren Welt wird sich ebenso die Landmasse deutlich mehr aufheizen. Dabei wird sich der Süden von Bayern stärker als der Rest von Deutschland erwärmen, so die Modelle der Wissenschaft.

Und mit einem höheren Durchschnittswert werden auch die Extremwerte ausgeprägter. Eine Hitzewelle im Sommer mit knapp 38°C, wie wir sie kennen, wird in Zukunft bei 48-50°C liegen. So wie es 2021 bei der Hitzewelle im Westen Kanadas mit Werten knapp unter 50°C schon vorgekommen ist. Die Folgen vor Ort waren Hunderte Hitzetote und verheerende Waldbrände.

Der Ort Lytton brach den kanadischen Hitzerekord mit 49,6°C und wurde dann durch einen Brand zerstört. Die klimatische Lage von Lytton ist sicherlich nicht mit Wolfratshausen vergleichbar, die mittlere Jahrestemperatur ist aber durchaus ähnlich (10°C bei uns versus 9°C in Lytton). Solche Extremwetter-Ereignisse werden auch bei uns wahrscheinlicher.

Die Aussage “Hitzesommer gab es schon immer” im Vergleich zu den Daten in Deutschland. Rot: Heißer als und Blau: kälter als der durchschnittliche Sommer
Quelle: DWD

Starkregen und Überschwemmung

Neben langen Trockenzeiten im Sommer werden auch Starkregen-Ereignisse wahrscheinlicher. In 2021 haben wir dies an der Ahr und in Nordrhein-Westfalen erlebt: der alte Rekord-Pegel an der Ahr von 3,9m wurde kurzerhand auf 8m verdoppelt, bei ca. 200L/m2 Regen. Noch schlimmer traf es 2021 Nord-Italien: zwischen 700-800L/m2 fielen rund um Genua. Das entspricht der Menge, die in Deutschland pro Jahr als Niederschlag fällt. Laut des DWDs sind wir am Alpenrand, auch unser Landkreis, besonders gefährdet durch Starkregenereignisse.

Starkniederschlag in Süd-Deutschland in mm Wassersäule (D=72h, W=100a).
Lila-blau bezeichnet erhöhtes Risiko. Unser Landkreis gehört zu den gefährdetsten Landkreisen für Starkregenereignisse. Quelle DWD 2015.

Der Grund dafür sind Tiefdruckgebiete, die über dem wärmeren Meer Luftfeuchtigkeit „tanken“ und sie dann bei uns abregnen. Das Mittelmeer wird wärmer, aber auch die Ostsee (Rekord von an die 27°C in 2021 am finnischen Meerbusen).

Eine wärmere Atmosphäre kann auch mehr Wasserdampf aufnehmen, der dann als Regen fällt. Regenreichen Wetterlagen über Mitteleuropa haben sich dadurch um 17% verstärkt, wie Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichten. Eigentlich sollen Extremhochwasser (Überschreitung des Pegels eines Jahrhunderthochwassers um das 1,5-fache) laut Statistik nur alle 1.000 Jahre auftreten. Und doch erleben wir nun um uns herum an Elbe, Ahr und Po Extremhochwasser mit >2-fachen Rekordpegeln.

Der jüngste Bericht des IPCC deutet auf eine wahrscheinliche Verdoppelung bzw. Verdreifachung der Häufigkeit von 10- bzw. 50-jährlichen Starkniederschlagsereignissen hin – und darauf müssen wir uns als Gesellschaft einstellen.

Für uns in Wolfratshausen zeigen Hochwassergefahrenflächenkarten des bayrischen Landesamts Risikogebiete, die bei einem Extremhochwasser nach klassischer Definition an Isar und Loisach überflutet werden würden. Zusätzliche Wassergefahren, wie etwa Starkregen, sind hier nicht enthalten. Steigt der Pegel bei einem Extremwetter um mehr als das 1,5-fache (an Isar: ca. 4,5m; Loisach: ca. 3,2m), dürften große Teil der Stadt gefährdet sein.

Hochwassergefahrenkarte für HQextrem (HQ1000 )
Hochwassergefahrenkarte für Extremhochwasser. Zusammengestellt basierend auf Karten des Bayrisches Landesamt für Umwelt, Stand 2019. Blaue Flächen stehen unter Wasser. Wie hoch ist abhängig vom Pegel der Flüsse als auch – hier nicht dargestellt – Menge an Starkregen, der ggf. nicht schnell genug abfließen kann.

Staulagen und Hitzeglocken

Ob Hitzewelle oder Starkregen – zusätzlich kommt aber noch hinzu, dass das meteorologische Phänomen der “Staulage” stärker wird: ein Tief- oder Hochdruckgebiet bewegt sich nicht vom Fleck und verstärkt dessen Auswirkung.

Eine in der Wissenschaft stark diskutierte Erklärung ist der gedrosselte Jetstream: Starke Windbänder wie der Jetstream bewegen normalerweise die Tiefdruckgebiete. Diese Winde kommen durch die Temperaturunterschiede zwischen dem Nordpol und den Tropen am Äquator zustande. Weil die Temperatur über dem Nordpol sehr viel stärker gestiegen ist als über den Tropen, wird der Temperaturunterschied zwischen Nordpol und Äquator schwächer, der “Motor” von Wetterlagen fällt aus. 

Dadurch können sich diese Wetterlagen bei uns festsetzen. Hitzewellen oder Regenlagen halten sich im Sommer über Wochen. Auch die Scheekatastrophe 2019 in unserem Landkreis wurde mit einer Staulage begründet.

Hagelschlag

Wolfratshausen war 2021 auch von einem schweren Hagelsturm betroffen. Glücklicherweise kamen durch die Golfball-großen Hagelkörner keine Menschen ernsthaft zu Schaden. Es wurden aber viele Dachpfannen durchschlagen, 50.000 Fahrzeuge beschädigt, Fenster zerschlagen und vieles mehr – die Sachschäden überstiegen 150 Mio Euro. Und es starben viele Tiere, Nutz- als auch Wildtiere. Ebenso wurden viele Pflanzen beschädigt. Laut unserem Förster Robert Nörr hat sich durch den Hagel der Pilz des Diploida-Triebsterbens bei unseren Kiefern im Wald stark ausgebreitet. Daher bleibt offen, wie insbesondere die Nadelbäume den Hagel überstanden habe und wie stark Sekundärschädlinge (die die Schwächung der Bäume ausnutzen) auftreten werden.

Hagelschaden an junger Tanne
Hagelschaden an junger Tanne (©) Robert Nörr, Forstrevier Wolfratshausen

Zu Hagelstürmen wird noch viel geforscht, aber es gilt als sehr wahrscheinlich, dass durch bodennahe Luftfeuchte und Instabilität der Atmosphäre die Wahrscheinlichkeit von Hagelstürmen erhöht und die Hagelkörner größer werden. Auch hier ist der Süden von Deutschland besonders betroffen. Meteorologen erwarten, dass durch den Klimawandel schwere Hagelunwetter bis zum Jahr 2050 um rund 15% zunehmen. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten Hagelkörner mit einem Durchmesser von 5 cm und größer sogar doppelt so häufig vom Himmel fallen.

Fazit

Laut der Attributionsforschung, die die möglichen Einflüsse des Klimawandels auf Extremwetterereignisse erforscht, hat sich die Wahrscheinlichkeit, auf Starkregen wie im Ahrtal oder eine Hitzewelle wie in Nordamerika stark erhöht. All dies bei einer globalen mittleren Erwärmung von „nur“ 1,2 Grad Celsius.

Die Wissenschaftler dieser Studie gehen davon aus, dass – selbst wenn der weltweite Temperaturanstieg auf zwei Grad begrenzt würde – solche Hitzewellen künftig alle fünf bis zehn Jahre auftreten können.

Für uns übersetzt: falls wir die Erderwärmung in den entscheidenden nächsten Jahren nicht in den Griff bekommen, können wir hier vor Ort fast jedes Jahr mit schweren Wetterereignissen rechnen.

Ob also die Bedingungen für Feigenanbau in Bayern bei Hitze, Dürre, Hagel oder Starkregen wirklich besser werden bleibt fraglich. Der Schaden für Mensch, Natur und Wirtschaft durch einen Anstieg der Durchschnittstemperatur wird jedoch immens sein und zeigt, dass sich der Kampf um jedes Zehntel-Grad lohnt. Aber auch, dass wir bei uns in der Stadt und Umgebung mit Umwelt- und Klimafolgenschutz vorbereiten müssen.

Wie sicher sind diese Vorhersagen der Klimawissenschaft?
Mehr dazu in diesem Post.

Auswirkungen des Klimawandels im Vergleich zu heute.
Quelle: Klimawandel-Buch


Quellen und weiterführende Links