Am 20. 9. waren wir mit gut 100 Teilnehmern für den globalen Klimastreik in Wolfratshausen auf der Straße, um für mehr Klimaschutz einzustehen. Bei der Kundgebung haben wir zwei Briefe vorgelesen – einen Brief an die eigenen Kinder in der Zukunft und einen Brief zum Thema Hoffnung. Da etliche Teilnehmer darum gebeten haben, veröffentlichen wir hier diese Briefe nochmals. Beide sind aus dem englischen übersetzt.
Ein Brief an meine Kinder
(Ich hoffe, sie werden ihn nie lesen müssen)
Heute möchte ich Euch gerne eine Brief vorlesen. Einen Brief, den Stuart Capstick, ein Umweltpsychologe, der sich mit Klimawandel und Nachhaltigkeit beschäftigt, 2021 an seine Kinder geschrieben hat1:
Ein Brief an meine Kinder (Ich hoffe, sie werden ihn nie lesen müssen)
An meine liebsten, lustigen kleinen Leute
Was kann ich sagen, jetzt, da es zu spät ist? Ich kann euch das Offensichtliche sagen: dass es mir leid tut, dass ich es versucht habe.
Ich kann euch sagen, wie leid es mir tut, dass es mich aufgefressen hat. Selbst als wir mit eingeschaltetem Nachtlicht im Bett saßen und gemeinsam über Korallenriffe und die Suche nach Dory lasen, wusste ich, dass nicht mehr viel Zeit für diese hellen und schönen Orte übrig war.
Ich kann Euch sagen, dass ich es versucht habe, dass ich, auch wenn es sich hoffnungslos anfühlte, nicht aufgeben wollte, wenn es noch eine Chance gab. Ich kann Euch sagen, dass wir deshalb immer mit dem Zug gefahren sind, dass ich die Politiker bedrängt habe, dass wir unsere Essgewohnheiten geändert haben und dass ich mich damals verhaften ließ.
Aber was ich Euch wirklich sagen will: Das Schlimmste war, dass wir eine Zeit durchlebt haben, in der wir das Blatt hätten wenden können, aber die meisten Leute haben einfach weitergemacht, als ob es keine Rolle spielen würde.
Dafür wird es tausend Erklärungen geben. Ihr werdet hören, dass die Menschen egoistisch waren, dass wir in einer Konsumkultur gefangen waren, dass unsere Politiker feige Diener der fossilen Brennstoffe waren, dass die Medien uns nicht informierten, zu sehr mit Tanzwettbewerben, Moden und Trivialitäten beschäftigt waren.
An all dem ist etwas dran, aber ich möchte, dass Ihr wisst, wie es sich damals anfühlte. Es fühlte sich an wie ein Traum, in dem alles so normal schien, aber unter der Oberfläche eine schreckliche und brutale Wahrheit lag, von der wir alle so taten, als gäbe es sie nicht. Kaum jemand sprach überhaupt über den Klimawandel und die Zerstörung der natürlichen Welt. Wenn man es doch tat, wurde das Gespräch in den meisten Fällen abgebrochen, und es wurden vertraute Mittel aus dem Nichts hervorgeholt, um die eigenen Bedenken abzutun, abzulenken und zum Schweigen zu bringen.
Und draußen rumpelte die Welt – die gedankenlose, beton- und metallverhangene, rauchgeschwängerte, alles verzehrende menschliche Welt – weiter, taub für die Warnungen – und unwillig, einen Finger zu rühren.
Ich möchte Euch sagen, dass es mir leid tut, und dass ich es versucht habe.
Euer Vater,
Stuart
Hoffnung ist keine neutral Position
Klimakrise, Kriege, Rechtsruck – man kann in der heutigen Zeit durchaus verzweifeln, hoffnungslos und zum Zyniker werden. Aus diesem Grund möchte ich euch einen Brief zum Thema Hoffnung vorlesen. Er ist eine Antwort des australischen Musikers Nick Cave an einen Fan2. Nick Cave hat selbst persönliche Tragödien durchlebt – mit dem frühen Tod zwei seiner Söhne.
Der Brief stammt von einem Mann namens Valerio aus Stockholm, der schrieb:
„Nach den letzten Jahren fühle ich mich leerer und zynischer als je zuvor. Ich verliere das Vertrauen in andere Menschen und habe Angst, diese Gefühle an meinen kleinen Sohn weiterzugeben. Glaubst du noch an uns Menschen?“
Und dies ist die Antwort von Cave:
Lieber Valerio,
einen Großteil meines frühen Lebens habe ich damit verbracht, die Welt und die Menschen in ihr zu verurteilen. Das war eine ebenso verführerische wie auch einfache Haltung. Die Wahrheit ist, dass ich jung war und keine Ahnung hatte, was auf mich zukommen würde.
Es bedurfte einer Tragödie, um mich zu lehren, wie wertvoll das Leben ist und wie gut die Menschen im Grunde sind. Es bedurfte einer Katastrophe, um mir die Zerbrechlichkeit der Welt vor Augen zu führen und zu verstehen, dass die Welt nach Hilfe schreit. Es bedurfte der Katastrophe, um die Idee des menschlichen Wertes zu verstehen, und es bedurfte der Erschütterung, um Hoffnung zu finden.
Im Gegensatz zum Zynismus ist die Hoffnung hart erarbeitet, sie stellt Anforderungen an uns und kann sich oft wie der unmöglichste und einsamste Ort auf der Welt anfühlen. Die Hoffnung ist keine neutrale Position. Sie ist eine kämpferische Emotion, die dem Zynismus den Garaus machen kann. Jede noch so kleine erlösende oder liebevolle Handlung – wie z. B. deinem kleinen Jungen vorlesen oder ihm etwas zeigen, das du liebst, oder ihm ein Lied vorsingen oder ihm die Schuhe anziehen – hält den Teufel weg.
Es sagt, dass die Welt und ihre Bewohner einen Wert haben und es wert sind, verteidigt zu werden. Es sagt, dass die Welt es wert ist, an sie zu glauben. Mit der Zeit finden wir heraus, dass das so ist. In Liebe, Nick.
Was ich euch mit diesem Brief sagen will: habt Hoffnung, auch wenn es euch schwer fällt – denn diese Welt ist es wert – für eure Enkel und Kinder, für euch selber.
Und jede Handlung zählt: Ihr seid heute hier, um für mehr Klimaschutz einzustehen. Danke euch allen dafür.
Wenn Ihr euch noch mehr damit auseinandersetzen, was das Thema Umweltzerstörung mit euch macht und wie man Hoffnung findet : wir haben eine Veranstaltung namens The Week im Oktober hier im Ohnverpakt-Laden und im November virtuell.
Am Sonntag haben wir die Kidical Mass, eine Radl-Demo von Wolfratshausen auf der B-11 nach Geretsried für eine Verkehrswende und Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer. Oder schreibt euch gerne auf unserem Newsletter ein und erfahrt mehr über weitere unserer Aktionen.
Herzlichen Dank an die Polizei. Auflösung.
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