Kidical Mass: Gericht erlaubt Nutzung der B-11

Update 19.4.2024

Erfolg vor dem Münchener Verwaltungsgericht: Wolfratshausen For Future gewinnt Klage gegen Landratsamt

Wir freuen uns über einen wichtigen Sieg vor der 10. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts München. Im Rechtsstreit konnten wir als Veranstalter der Kidical Mass erfolgreich gegen das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen klagen. Das Landratsamt hat bereits kommuniziert, dass es keine Beschwerde gegen das Urteil einlegen wird. Die Streckenführung kann nun über die B-11 erfolgen.

Im Eilverfahren hatten wir gestern Klage eingereicht, um gegen das Verbot der Nutzung der B-11 für unsere Fahrraddemo vorzugehen. In einer sehr ausführlichen Begründung hat das Verwaltungsgericht nun die Begründung für das Verbot als rechtswidrig bewertet, weil “…sie auf keiner ausreichend begründeten bzw. tragfähigen Gefahrenprognose beruht“. So hat sich die Behörde “…bereits nicht hinreichend mit dem vom Antragsteller vorgerichtlich vorgetragenen Einwand auseinander gesetzt” und “[…] nicht auf nachvollziehbare und belastbare Tatsachen gestützt.” Das Gerichte spricht insgesamt von einer defizitären Gefahrenprognose.

Die Gefahrenprognose bezüglich der Auswirkungen auf die Sicherheit- und Leichtigkeit des Straßenverkehrs ist vorliegend schon deshalb defizitär, weil sich der Antragsgegner – trotz der frühzeitigen Anmeldung der beabsichtigten Versammlung durch den Antragsteller – nicht ansatzweise mit der Möglichkeit eines vorausschauenden Verkehrslenkungs- und Sicherungskonzepts hinsichtlich etwaiger Umleitungsmöglichkeiten befasst hat.

Das Landratsamt muss nun die Prozesskosten tragen. Der Streitwert wurde auf 2.500 Euro festgesetzt. Zeit und Steuergeld, dass man sich hätte sparen können.

Wir sind dankbar für die gerechte Entscheidung des Münchener Verwaltungsgerichts. Dieser Sieg ist wichtig für die Stimme aller Verkehrsteilnehmer – auch der nicht motorisierten. Und er ist auch wichtig für die Demokratie, da es unterstreicht, das Behörden nicht ohne sorgfältige Abwägung Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit einschränken dürfen.

Wir bedanken uns bei allen Mitmachern, Unterstützern und insbesondere bei unserem Anwalt Thorsten Deppner, die alle maßgeblich zu diesem Erfolg beigetragen haben.

Update 18.4.2024

Am Donnerstag, 18. April 2024 gibt es folgende Neuigkeiten im Fall Kidical Mass vs. Landratsamt.

  • Unser Fall wurde in den lokalen Medien aufgenommen – sowohl die Süddeutsche Zeitung als auch der Isar-Loisachbote berichten. In den Kommentaren und sozialen Medien wird ebenfalls diskutiert. Zur Klarstellung: wir fordern nicht, dass Radler immer auf der B-11 fahren können, sondern möchten darauf hinweisen, dass die aktuelle Radinfrastruktur ungenügend ist. Und jetzt geht es uns auch darum, dass die Versammlungsfreiheit als Bürgerrecht wichtiger ist als freie Fahrt für Autofahrer.
  • Danke auch für etliche Unterstützungsangebote – unter anderem vom ADFC München. Das selbe Landratsamt hat diesen die Nutzung der B-11 für ihre Sternfahrt nach München auf der selben B-11 am Sonntag Vormittag genehmigt.
  • Mit dem Landratsamt gab es einige Telefonate und es hat seinen Bescheid angepasst, das innerorts die B11 genutzt werden darf (bei der Formulierung im Bescheid handele es sich insofern um einen redaktionellen Fehler) und die Lautstärkeregelung korrigiert. Im eigentlichen Punkt “Nutzung der B-11 außerorts” bleibt die Behörde stur und verkompliziert die Route noch zusätzlich: statt über den Parkplatz beim Italy geht es jetzt in eine 180° Kehre (siehe Foto).
  • Am Donnerstag nach Ablauf der gesetzten Frist haben wir daher beim Verwaltungsgericht München Klage gegen den Bescheid mit Eilantrag erhoben. Die Kammer will wohl im Laufe des Freitag Vormittags entscheiden.
  • Drückt uns die Daumen und kommt bitte zahlreich am Sonntag, um ein Zeichen für Sicherheit ALLER Verkehrsteilnehmer zu setzen als auch für die Versammlungsfreiheit. Und wir bitten um Spenden für unsere Gerichtskosten.

Um was geht es?

Am 21. April 2024 veranstalten wir zusammen mit dem ADFC und GER For Future die „Kidical Mass“, eine Fahrraddemo für Erwachsene und Kinder, bei der sich die Teilnehmer ab 13 Uhr am Karl-Lederer-Platz in Geretsried treffen und über Zwischenstopps in Waldram und auf Höhe Rewe/Aldi gemeinsam zur Veranstaltung „Sattelfest“ nach Wolfratshausen fahren. 

Die bundesweite „Kidical Mass“ steht unter dem Motto “Die Straße ist für ALLE da!“ und wir nehmen dieses Jahr bewusst den Verkehr zwischen den beiden Städten in den Fokus. Bereits 2022 wurde ein interkommunales Verkehrskonzept zwischen den beiden Städten Wolfratshausen und Geretsried angekündigt. Dieses Konzept war allerdings auf die prognostizierte Zunahme des Autoverkehrs ausgerichtet. Die Belange anderer Verkehrsteilnehmer, wie Radfahrer oder Fußgänger, wurden bislang  wenig berücksichtigt. Daher soll mit dieser Fahrraddemo darauf aufmerksam gemacht werden, dass auch ein Ausbau der Infrastruktur für Fahrradfahrer und Fußgänger dringend notwendig ist. Es müssen alle Verkehrsteilnehmer berücksichtigt werden. Weitere Details zu unserer Veranstaltung in diesem Post.

Der Bescheid der Behörde am 15. April

Die bereits im Februar angezeigte Route der Versammlung führt dabei von Geretsried auf der B11 nach Wolfratshausen bis zur Loisachhalle zum „Sattelfest“, dem Fahrradfest der Stadt Wolfratshausen und des ADFC. In ihrem Bescheid vom 15. April 2024 beschränkt nun das Landratsamt unsere Route:  „Der Demonstrationszug darf auf der gesamten Strecke, soweit vorhanden, nur den Radweg nutzen.“ sowie „Dies gilt speziell für die B11 außerorts von Geretsried bis zum Ortseingang Wolfratshausen. Hier muss der parallel dazu verlaufende Radweg genutzt werden.“ Konkret wird von den Behörden als Route der Fahrradweg entlang der B11, Waldram und Farchet vorgegeben, mit allen Engstellen, Unterführungen bis hin zum Parkplatz vor dem Restaurant Italy auf Höhe des Aldi-Supermarkts (siehe Fotostrecke). 

Begründet wird die Beschränkung durch das Landratsamt mit “…Gewährleistung der Verkehrssicherheit, sowie der Leichtigkeit des Verkehrs.” 

Unserer Sicht und was wir nun tun

Die verfassungsrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit ist für unsere Demokratie von hoher Bedeutung und die Beschränkungen sind aus unserer Sicht rechtswidrig. Wir bedauern auch, dass es trotz angebotener Zeitfenster nicht zu einem Kooperationsgespräch gekommen ist, um vor Ort auf die Gefährdungsstellen auf dem Radweg für die Teilnehmer hinzuweisen. Als Teil der For Future-Bewegung, die inzwischen nicht nur Schüler, sondern viele Orte und Berufsgruppen umfasst, konnten wir mit Hilfe von Lawyers For Future sehr schnell mit Herrn Thorsten Deppner einen Fachanwalt für Verwaltungsrecht für uns gewinnen und seine rechtliche Unterstütung erhalten. Wir fordern nun das Landratsamt auf, seine Beschränkungen zurückzunehmen und werden andernfalls per Eilantrag beim Verwaltungsgericht München Klage erheben. Ein entsprechende Schreiben wurde am Dienstag dem Landratsamt zugestellt. 

Unsere Begründung basiert auf folgenden drei Punkten:

  • Unmittelbarer Zusammenhang der Nutzung der B-11 mit dem Versammlungszweck: die Sichtbarkeit im Straßenraum wird eben nicht erreicht, wenn die Teilnehmenden – wie in der aktuellen, von den Demonstrierenden gerade kritisierten Straßenraumgestaltung – „an den Rand gedrängt“ und „von der Straße verbannt“ werden.
  • Erhebliche Risiken bei Nutzung der Radwege durch die Versammlung: die Behörden begründen Ihre Beschränkung auf der Sicherheit des Verkehrs, verkennen aber gleichzeitig die erheblichen Gefahren für die Verkehrssicherheit sowohl für die Teilnehmenden als auch andere Nutzer:innen der Radwege, die durch die Beschränkung hervorrufen werden. In der Folge müssten die 250 angemeldeten Teilnehmenden – inklusive Kindern- hintereinander fahren.
  • Überschätzung der Einschränkungen und Gefahren der Nutzung der Fahrbahn: die Behörde führt aus, dass die Nutzung der Fahrbahn wegen der langsam fahrenden Kinder „einer Vollsperrung der B 11 in Fahrtrichtung Wolfratshausen gleichkommt“, berücksichtigen dabei aber nicht, dass die Demonstration an einem Sonntag zu einer besonders verkehrsarmen Zeit stattfinden soll.

Dieser Fall, bei dem nur die Leichtigkeit des Autoverkehrs berücksichtigt wird, zeigt in unseren Augen, dass ähnlich wie der Fall in der Sauerlacher Straße bei unseren Behörden nach wie vor die Belange von Autofahrern Vorrang haben vor den Interessen und der Sicherheit von Radlern und Fußgängern. Hier muss ein Umdenken stattfinden, denn “Die Straße ist für ALLE da!“.

Unterstützt uns

Wir sind sehr hoffnungsvoll, dass wir die Beschränkung spätestens vor dem Verwaltungsgericht kippen werden. Dies ist wichtig, um zum einen die Verkehrssicherheit aller – auch der Kleinsten – sichtbar zu machen, aber auch damit Bürgerrechte wie die Versammlungsfreiheit nicht leichtfertig von Behörden beschnitten werden.  

Daher bitten wir Euch – nehmt Teil an unserer Fahrraddemo ab Geretsried! Am 21.4. um 13:00 am Karl-Lederer-Platz. Interessierte können auch später noch zum Fahrradkorso dazustoßen – beispielsweise beim Zwischenhalt bei Waldram und dem Parkplatz an den Einkaufsmärkten REWE bzw. ALDI. Die Fahrräder der Kinder können auch Wimpel oder Plakate mit Forderungen an die Politik tragen.

Uns werden leider Kosten für den Fachanwalt entstehen. Bitte unterstützt uns auch durch Spenden.

Fahrräder sichtbar machen mit dem KUNST-Projekt FAHRRAD 

Am Sattelest sollen auch die Kunstwerke aus dem KUNST-Projekt FAHRAD vorgestellt werden. Mitgemacht haben hier der Mamma Lupa Waldkindergarten, der integrative Kindergarten Wolfratshausen, die Kita Kolibri, die Kita Weidach, die städtischen Kindergärten Nantovinus und Waldram, der Kinderhort in Waldram, die Mittel- und Realschule Wolfratshausen, die Klecks Schule und auch die Radlwerkstatt W-11. Diese Kunstwerke sollen im Zuge dieser Veranstaltung präsentiert und im Anschluss an Unfallschwerpunkten in Wolfratshausen aufgestellt werden, um eine breite Öffentlichkeit für das Thema „Gefährdung im Straßenverkehr und die Notwendigkeit von Verkehrsinfrastruktur für alle Bürger“ zu sensibilisieren.

Fotostrecke des verfügten Radwegs

Die im Bescheid erlassene Alternativ-Route birgt etliche Sicherheitsrisiken für die Teilnehmer, insbesondere Kinder, die im Folgenden dargestellt werden: 
Der Radweg ab Geretsried (als solcher erst 1km später ausgewiesen) ist meist 2,3m breit (siehe Maßstab am Boden). Somit können die Teilnehmer bei Gegenverkehr nur hintereinander fahren. Die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA), Ausgabe 2010 gibt mindestens 2,50m vor.

Höhe Buchberg: An weiteren Stellen wird die Breite noch unterschritten. Der Radweg wird für beide Richtungen ausgewiesen, so dass möglicher Gegenverkehr (Fahrräder, Mopeds) eine Gefährdung darstellen.

Kreuzung der Gleise auf Höhe Lidl in Wolfratshausen. Zwei Abzweigungen im rechte Winkel bringen die gesamte Versammlung zum stehen. Geparkte Fahrräder führen zu Engpässen mit <2m Breite..

Weitere Engstellen <2m (siehe Maßstab) und Konflikte mit Passanten vom Busverkehr kommend.

Unterquerung der Schießstättstraße durch eine enge, steile Fußgängerpassage mit Gegenverkehr. Für Kinder ist der steile Anstieg schwierig zu bewältigen.


Nach etlichen weiteren 90° Kurven geht es zuletzt über einen stark frequentierten Parkplatz vor dem Restaurant Italy.