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Unter dem Titel “Was Klima-Aktivisten im Landkreis über die „Letzte Generation“ denken” führte Elena Royer unter anderem mit uns im Dezember 2022 ein Interview, welches am 23. Januar im Tölzer Boten erschien. Hier findet man den Link zum Artikel.

Wir hatten unsere Meinung zu den Aktionen im Vorfeld in der Gruppe abgestimmt. Da natürlich nicht alles Gesagte sich im Artikel wiederfindet, stehen im folgenden die Antworten zu den Interviewfragen aus unserem Skript.

Skript zu “Was halten Sie von den Aktivisten der „Letzten Generation“ und deren Formen der Aktionen?”

Haben Sie Verständnis für die Aktivisten und die Aktionen?

Den Drang zu zivilen Ungehorsam können wir bei uns in der Gruppe alle persönlich gut nachvollziehen. Weil einfach so wahnsinnig viel Frust und Trauer einer ganzen Generation dahintersteckt. Wir finden diese jungen Leute sehr mutig und es steckt wohl eine große Ohnmacht hinter diesen Aktionen, nach dem Motto „es gibt sowieso nichts zu verlieren“. Das nicht-gehört-werden muss endlich aufhören. 

Unser Protest seit vier Jahren ist zur Normalität geworden und wird kaum beachtet. Beispielsweise demonstrieren wir seit über einem Jahr vor jeder Stadtratssitzung und doch ist die lokale Politik kaum auf uns eingegangen. Da ist es durchaus verständlich, dass manche zu anderen Maßnahmen greifen.

Diese Aktionen stören nun nicht nur den Straßenverkehr. Sie stören (ein bisschen) diese Verdrängungsleistung, diese Dissoziation von Normalitäts- und Katastrophenbewusstsein. Auf der einen Seite: Der Alltag. Auf der anderen Seite: Die Dimension der KlimaKrise. Alles unumkehrbar in Gefahr. Diesen Widerspruch kann man eigentlich nicht aushalten und die Last Generation führt uns das vor Augen.

Ist das die richtige Form des Protestes? / Ist das der richtige Weg? 

Da gibt es auch bei uns unterschiedliche Meinungen, was genau jetzt die „richtige“ Prostestform ist. 

Protest muss unbequem für gewisse Zielgruppen sein, weil nur so ein Handlungsimpuls entstehen kann. Wenn es bei der Bürgerrechtsbewegung in den USA nach der weißen Bevölkerung gegangen wäre, hätte Rosa Parks wahrscheinlich auch mit einem Schild auf dem Rücken zu Fuß demonstrieren sollen statt im für Weiße reservierten Teil des Busses. Weil die Mehrheit dadurch nicht zum Umdenken gezwungen worden wäre.

Auch muss man die unterschiedlichen Aktionen unterschiedlich werten, beispielsweise ist ein angekündigter Sitzstreik in der Innenstadt oder verschmutzte Glasscheiben anders zu bewerten als eine Sitzaktion auf der Autobahn, die gefährlich sein kann.

Die Aufmerksamkeit ist definitiv mehr da, als bei herkömmlichen Aktionen. Das Thema Klimakrise braucht Aufmerksamkeit und das ist gut. Die Frage ist daher eher, ob diese Form zu einem Mehr an Handeln führt. Die Klimakrise ist das eigentliche Problem, nicht die Form der Proteste

Wie radikal darf Klimaprotest sein? Gibt es Grenzen des Protestes?

Bislang findet vor allem ziviler Ungehorsam statt, noch nicht mal Sachbeschädigung – da die Kunstwerke hinter Glas sind. Mehr findet aktuell nicht statt bzw. wird juristisch sicher noch aufgearbeitet und mehr sollte auch nicht hineininterpretiert werden. 

Dagegen findet gerade eine starke Polemisierung des Themas von konservativen Politikern und konservativen Medien wie der Bild-Zeitung statt. Die Rechtsstaatlichkeit wäre in Gefahr. Die Last Generation-Gruppe wird mit Terroristen gleichgesetzt. Die gesellschaftlichen Regeln würden nicht eingehalten. Damit kann man sehr gut vom eigenen Nicht-Handeln der letzten Jahrzehnte ablenken und die Gesellschaft spalten. Plötzlich wird über vehementere Strafen diskutiert statt über Klimaschutz.

Die Politik hält sich aber selber nicht an ihre Verpflichtung, unsere Lebensgrundlagen zu erhalten! Das Verkehrsministerium weigert sich quasi, sich trotz verfehlter Ziele an das Klimaschutzgesetz zu halten. Markus Söder selbst hat sich 2019 geweigert, Gerichtsurteile zu Dieselfahrverboten umzusetzen. Sind diese Politiker dann auch Terroristen, die 30 Tage vorbeugend in Haft müssen?

Das große Problem dabei ist, dass dadurch negative Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gemacht wird und viele Menschen dadurch genervt sind und Klimaaktivismus als störend wahrgenommen wird. Aber der Mensch  sollte diese Energie anstatt in Diskussionen, was die richtige Protestform ist, lieber in Klimaschutz und (die Presse) in Berichterstattungen über die eigentlichen Probleme zu stecken

Als wie sinnvoll erachten Sie diese Aktionen überhaupt, wenn immer mehr Menschen davon genervt sind?  

Für die Polemisierung sind Politiker und Medien verantwortlich, die nichts verändern wollen. Sie schüren Angst vor Veränderung und spalten damit die Gesellschaft. Andererseits führt es u.a.dazu, dass sich moderate Klimaschützer*innen abwenden, weil sie nicht mit der Letzten Generation in einen Topf geworfen werden wollen. Dadurch können wir Befürwortende verlieren. 

Im Stau zu stehen nervt, klar. Selber war ich gerade sehr genervt, dass mein Zug aus Berlin wegen maroder Infrastruktur im öffentlichen Verkehr 4 Stunden Verspätung hatte. Dann stehe ich lieber wegen einer Protestaktion im Stau.

Wir selber würden diese Art des Protests nicht machen. Unser Weg vor Ort ist ein anderer:  es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam angehen. Aus diesem Grund haben wir bei WOR For Future unsere Vorstellung eines “Wolfratshausen klimaneutral”  beschrieben. Sie zeigt, wie wir unsere Stadt sicherer, schöner, nachhaltiger und auch zukunftssicher gestalten können. Dass Veränderung viele Chancen beinhaltet, wenn wir sie alle mitgestalten. Wir hatten kürzlich ein sehr gutes Gespräch mit unserem Bürgermeister, wie Klimaschutz vor Ort besser gelingen kann. Im besten Fall gibt die vermehrte Aufmerksamkeit auch durch Last Generation der Klimadebatte so nochmal erneuten Aufwind, was dringend notwendig ist.